© Etterer Alexander
Die SOS-Kinderdorf-Stiftung wurde in diesem Jahr für ihr Anlagemanagement mit dem portfolio institutionell Award in der Kategorie „Beste Stiftung“ ausgezeichnet. Und so haben wir in diesem Jahr Experten befragt, die sich im Anlagemanagement auskennen und dieses aus unterschiedlichen Blickwinkeln erläutern.
Herr Etterer, als Leiter von Wealth, Risk & Compliance bei Rödl & Partner sowie als Jurymitglied des portfolio institutionell-Awards haben Sie schon viele Stiftungen kennengelernt und geehrt. Was beeindruckt Sie an einer Stiftung?
Die Stiftungen, die ich bisher kennenlernen durfte, beeindruckten mich alle auf eine ähnliche Art und Weise. Vor allem das hohe persönliche Engagement der Verantwortlichen, die unterschiedlichsten gemeinnützigen Stiftungszwecke zu erfüllen, hatten alle gemeinsam. Auch, dass viele ehemalige Unternehmer mit der Gründung einer Stiftung einen Teil ihres „Glücks“ an die Gesellschaft, insbesondere an benachteiligte oder hilfsbedürftige Menschen, zurückgeben wollen oder nach ihrer aktiven beruflichen Zeit nach wie vor etwas bewegen wollen, hat für mich einen hohen Vorbildcharakter.
Was lässt Sie ins Grübeln kommen?
Dass vielen Stiftungsverantwortlichen ihre Risiken häufig gar nicht so bewusst sind. Steuerliche Fallstricke laden geradezu zu Fehlern im Stiftungsalltag ein. Bei Themen wie Spenden, Reisekosten, Tombola oder Spendengala steht immer der gute Zweck im Vordergrund, jedoch lauern im Hintergrund permanent Quellen für Fehlverhalten. Hierauf müssen Stiftungsverantwortliche immer wieder aufs Neue vorbereitet werden. Auch im Rahmen der Kapitalanlage können bei Organisationsverschulden oder Verletzung von Sorgfaltspflichten schnell straf-, zivil- und arbeitsrechtliche Fragestellungen auf der Agenda stehen.
„Beste Stiftung“ – damit zeichnet portfolio institutionell seit nunmehr zehn Jahren Stiftungen aus. Was gehört Ihrer Meinung nach dazu, die „Beste Stiftung“ zu sein?
Im Zusammenhang mit den portfolio-Awards wird u.a. die „Beste Stiftung“ im Hinblick auf die Kapitalanlage ausgezeichnet. Generell ist die „Beste Stiftung“ schwer zu definieren. Vielmehr finden sich aber Jahr für Jahr Stiftungen, die im Hinblick auf die Bewirtschaftung ihres Grundstockvermögens oder der Organisation ihrer Kapitalanlage eine Inspiration für andere Stiftungen darstellen. Dabei ist weniger die Höhe der erwirtschafteten Rendite maßgeblich. Wichtige Bausteine, um einen Gesamteindruck über die Qualität der Vermögensanlage zu erhalten sind Kriterien wie planbare Rendite, Kapitalerhalt, ordentliche Erträge, Anlageorganisation, Überwachung und Kontrolle, Transparenz, Kosten, Verständnis und Innovationskraft im Zusammenhang mit der Kapitalanlage.
Welche Kriterien sind für den dauerhaften Erfolg einer nachhaltigen Stiftung entscheidend?
Nachhaltigkeit und die Dekarbonisierung der Kapitalanlage von Stiftungen erfahren immer mehr Aufmerksamkeit. Auch, weil sich beispielsweise Hollywood-Stars, wie Leonardo DiCaprio, dafür stark machen – entsprechend investiert auch seine Stiftung. Generell aber ist Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit der Kapitalanlage ein dehnbarer Begriff. In der Praxis ist man gut beraten, wenn man fünf bis zehn Grundpfeiler festlegt und sich nicht in kleinteiligen Definitionen verliert. Dabei empfiehlt sich eine gesunde Mischung aus individuellen Kriterien und der Möglichkeit auf Erzielung ordentlicher Erträge zur Erfüllung des Stiftungszwecks.
Wie beurteilen Sie generell die Stiftungslandschaft in Deutschland?
Die Anzahl von Stiftungsgründungen hat sich seit 2001 mehr als verdoppelt – auf derzeit über 20.000. Auch, wenn es immer schwieriger wird, insbesondere in dem anhaltenden Niedrigzinsumfeld ordentliche Erträge zur Erfüllung des Stiftungszwecks zu erzielen, wächst die deutsche Stiftungslandschaft jährlich um etwa 2,5 Prozent. Dieser Trend wird sich weiter fortführen, denn die Motivation, Verantwortung zu übernehmen oder weiterhin etwas zu bewegen, ist ungebrochen.
Was glauben Sie, wird die Niedrigzinsphase anhalten bzw. dramatischer werden oder ist ein Ende in Sicht?
Zu den großen Herausforderungen für die Erfüllung des Stiftungszwecks der letzten Jahre zählt das weiterhin niedrige Zinsniveau. Vermutlich wird dies noch weiter anhalten. Insofern ist mehr Kreativität gefragt. Und die ist nicht in der Erhöhung der Risiken durch mehr Aktien oder riskantere Anleihen zu finden. Vielmehr gilt es, alternative Anlageklassen ausfindig zu machen, mit denen sich das aktuelle Zinstief teilweise überbrücken lässt. Durch meinen beruflichen Einblick, aber auch durch meine Jurytätigkeit, konnte ich in den letzten Jahren vermehrt Anlageklassen wie diese wahrnehmen: Infrastruktur, Windkraft, Immobilien, Microfinanz, Dividendenstrategien mit Absicherungskonzepten, laufzeitbegrenzte kapitalerhaltende Anlagen bei Versicherungen, spezielle Beteiligungsmodelle, Venture Capital, etc. Wichtig dabei ist immer das volle Verständnis über die Funktionsfähigkeit und Transparenz dieser Anlagen. Nur so sind die damit verbundenen Risiken einzuordnen.
Einige der kleineren Stiftungen haben keine professionelle Anlagestrategie. Warum ist diese wichtig und wie kann eine solche Strategie aufgesetzt werden?
Häufig fehlen die Zeit und die fachliche Ressource, sich damit intensiv zu beschäftigen. Unabhängig davon empfiehlt es sich, das Anlagemanagement an Vermögensverwalter zu übertragen. Die Stiftung selber sollte vielmehr ein gewichtiges Wort bei der Anlagerichtlinie mitreden und im weiteren Verlauf die Rolle der Überwachung und Kontrolle leben. Auch kleinere Stiftungen können dies umsetzen. Es gibt mittlerweile eine Reihe von Stiftungsfonds-Konzepten namhafter und erfahrener Vermögensverwalter, die hier Lösungen bieten. So ein Fonds muss nicht nachteiliger sein als eine individuelle Anlagestrategie. Ganz im Gegenteil. Dadurch, dass der Fonds fortlaufend transparent in der Öffentlichkeit steht, hat das Management eine besonders starke Motivation, das ganze Know-how in das Fondskonzept zu stecken. Auch die Kosten sind gegenüber individuellen Strategien durchaus wettbewerbsfähig. Darüber hinaus statten immer mehr Anbieter ihre stiftungsgeeigneten Fonds mit einem speziellen Transparenz-Reporting aus. Dieses Berichtswesen unterstützt die Verantwortlichen in einer sachgerechten Umsetzung der geforderten Überwachung und Kontrolle der Kapitalanlage durch die Aufsichtsbehörden.
Wenn Sie eine Stiftung hätten, wie würden Sie Ihre Anlage gestalten?
Wenn Sie mich persönlich fragen und ich für einen Moment meine berufliche Funktion ausblenden darf: Aktien, Unternehmensanleihen Investmentgrade als Hauptblock, ergänzt um Themenfelder, beispielsweise Microfinanz, Erneuerbare Energien wie Windkraft und Photovoltaik in stabilen Ländern, Immobilienaktien, Immobilienfonds, Beteiligungsmodelle bei Immobilien, Private Equity. Entscheidend dabei ist immer, dass die Anlagen voll transparent sind und die Funktionsweise und die damit verbundenen Risiken auf dem Tisch liegen. Ein umfassendes, verständliches Reporting ist zwingend notwendig.
Würde Ihr Portfolio auch Aktien enthalten? Und wenn ja, nach welchen Kriterien würden Sie diese auswählen?
Wenn in der heutigen Zeit Erträge erzielt werden müssen, um den Stiftungszweck zu erfüllen, sind Aktien sicherlich ein fester Portfoliobaustein. Trotz Niedrigzinsumfeld würde ich das Risiko auf maximal 30 bis 40 Prozent begrenzen. Je nach Risikomanagementkonzept. Dabei spielen dividenden- und substanzstarke Werte eine wichtige Rolle. Dies würde ich mit einem darauf spezialisierten Fondsmanager umsetzen, der mir zugleich einen tiefen Einblick in seinen Fonds gewährt. Als Stiftungsverantwortlicher sehe ich meine Aufgabe überwiegend im vollen Verständnis und in der Überwachung und Kontrolle der Anlage.
Viele Stifter/Stiftungen schätzen das Risiko als zu hoch ein und investieren deswegen nicht in Aktien. Was würden Sie diesen raten?
Wenn es um Aktien geht, gibt es im Bild der Banken und Vermögensverwalter in der Regel immer nur eine Richtung: Aktien steigen. Aber es ist Vorsicht geboten, denn Rückschläge sind jederzeit und immer möglich – das muss man wissen. Dennoch ist es ratsam, sich mit Aktien zu beschäftigen, denn ein Investment in substanzstarke und damit dividendenstarke Unternehmen sollte sich langfristig lohnen. Und Stiftungen müssen langfristig denken. Dafür sind sie einmal gegründet worden. Die Dividende ist heutzutage ein wichtiger Anker in der Erzielung ordentlicher Erträge. Es gilt, Aktienstrategien zu finden, die in Verlustphasen mit den Risiken besser umgehen können, als der Marktdurchschnitt. Diese gibt es. Auch kann überlegt werden, die Aktien phasenweise aufzubauen. Insbesondere in Korrekturphasen hinein kaufen. Derjenige, der schon Aktien im Stiftungsportfolio hat, sollte immer wieder einmal den Einsatz von Sicherungsinstrumenten in unsicheren Marktphasen mit seinem Berater/Vermögensverwalter besprechen. Wichtig dabei ist, eine klar definierte Anlagerichtlinie zu formulieren und das Aktien- bzw. Risikomanagementkonzept sowie die Arbeitsweise des Managers zu verstehen.
Wie findet eine Stiftung den für sie geeigneten Vermögensverwalter oder das passende Anlageprodukt?
Alleine schon wegen der treuhänderischen Verantwortung und der möglichen Rechtfertigung gegenüber internen Gremien und ggf. externen Behörden ist es gelebte Praxis, einen systematischen Vermögensausschreibungsprozess durchzuführen. Egal, ob es sich dabei um die Suche nach einem einzelnen Anlageprodukt, eines oder mehrerer Vermögensverwalter oder um professionelle Master-KVG-Strukturen handelt. Die Erfahrungen aus dem systematischen Auswahlprozess sind goldwert und mit einem wertvollen Wissenstransfer verbunden. Externe Berater, wie neutrale und darauf spezialisierte Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, verfügen über langjährige Erfahrung und können in solchen Prozessen ein idealer Partner sein.
Ihre Empfehlungen an unsere Stifter in einem Satz:
Haben Sie Mut, sich neuen Anlagethemen zu widmen und legen Sie zukünftig besonders viel Wert auf eine transparente Berichterstattung der Anlageprodukte bzw. der Vermögensverwalter – dies schützt Sie vor möglichen Haftungsrisiken.
Hintergrund Alexander Etterer
Alexander Etterer ist seit 1998 für Rödl & Partner tätig und seit 2015 Partner bei der Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Seit 2003 verantwortet er den Geschäftsbereich „Wealth, Risk & Compliance“. Seine Beratungsschwerpunkte sind: Planung, Steuerung und Kontrolle von Anlageportfolios institutioneller Investoren, Performance-, Kosten- und Risikoanalyse von Spezialfonds, Vermögens-Controlling semi-institutioneller Investoren bzw. vermögender Privatpersonen, Durchführung von Ausschreibungsverfahren. Gemeinsam mit seinem Team hat Alexander Etterer den Transparenzbericht für semi-institutionelle Anleger und für Investmentfonds ins Leben gerufen. Zudem ist er Fachautor zahlreicher Veröffentlichungen zu den Themen „Benchmark-orientierte Kapitalanlagen“, Exchange Traded Funds (ETFs), Anlagemanagement von Stiftungen, Kommunen und semi-professionellen Anlegern. Herr Etterer war für die Erstellung der IDR-Prüfungsleitlinie 800 zur „Prüfung kommunaler Geldanlagen“ verantwortlich. Seit 2011 leitet er die Stiftungs-Jury des Portfolio-Verlages zur jährlichen Vergabe des Stiftungs-Awards.
Das Interview wurde 2016 geführt.